Ein Mann hat modische Einschränkungen. Zumindest wenn er nicht allzu sehr aus der Masse herausstechen möchte. Keine Röcke, keine hochhackigen Schuhe, kein Lippenstift. Um nur ein paar der signifikantesten Dinge zu nennen, die ein Mann, der nicht angestarrt werden will, vermeiden sollte. Der Toleranz-Grad für modische Ausschweifung variiert jedoch von Land zu Land enorm. Ein Italiener oder Spanier beispielsweise kann sich eine ganz andere Art von Farb- und Mustervariation leisten als, sagen wir, ein Deutscher. Ich bin Deutsche – ich weiss, wovon ich spreche. Und ich möchte hier auch nicht wieder die ‚Kann ein heterosexueller Mann Pink tragen?‘ – Diskussion eröffnen, nur soviel dazu: Als ich einst ich in einem Interview sagte, ein Mann in Pink könne sehr sexy sein, war ich doch erstaunt über die Anzahl und die Aggression der Kommentare. Dieser so offensichtliche Mangel an Selbstbewusstsein beim deutschen Mann schmerzt mich immer noch. Vor vielen Jahren hatte ich einen italienischen Freund. Der holte mich eines Abends ab, gekleidet in eine Jeans-Biker-Jacke mit einem so schreiend bunten Muster (ich glaube es waren Papageien mit Palmen oder ein ähnlich tropisches Thema), dass ich beim Öffnen der Tür fast erblindete. Eine Biker-Jacke aus Jeansstoff ist für sich schon modisch fragwürdig, aber auch noch BEDRUCKT…. ich gebe zu, ich musste mich erst daran gewöhnen. Ihm hingegen kam es nicht eine Sekunde lang in den Sinn, dass diese Jacke seine Männlichkeit in irgendeiner Weise schmälern könnte. Das fand ich ziemlich cool und irgendwie auch sexy. Trotz des Musters. Ich wünschte, meine männlichen, deutschen Mitmenschen würden sich eine (ganz dünne) Scheibe dieses modischen Selbstbewusstseins abschneiden. Es muss ja nicht gleich der Papgeien-Druck sein. Fangt mit einer breit gestreiften Ballonmütze an und wagt Euch dann Schritt für Schritt weiter vor.
Gunnar trägt eine Mütze von Comme des Garçons, eine second hand Lederjacke, darunter eine Jacke von Uniqlo, eine Hose von Acne, Turnschuhe von Adidas, Handschuhe von Hestra und einen Rucksack von Patagonia.
©Julia Richter